SPD stimmt Haushalt nicht zu - Haushaltsrede

29. Juli 2023

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kolbe, sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung, liebe Kolleginnen und Kollegen,

erinnern Sie sich noch an die beliebte Fernsehsendung “Was bin ich?”, die in den 70er- und 80er-Jahren im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde? Der Moderator Robert Lembke fragte die Gäste seines Berufe-Ratequizs damals immer “Welches Schweinderl hätten’s denn gern? Das rote, das grüne oder das blaue?” Sie fragen sich, was das mit unserer Sitzung heute zu tun hat? Nun, in ebenso charmanter und entwaffnend sympathischer Manier könnten wir Sie heute fragen: “Welche Haushaltsrede hätten’s denn gern? Die aus 2020, aus 2021 oder aus 2022?” Klingt komisch, ist aber so. Das ist übrigens ein Zitat aus der Sendung mit der Maus. Und warum das so ist, erzähle ich Ihnen gleich.

Die Freude ist also heuer groß, das Landratsamt hat signalisiert, dass es den Haushalt 2023 genehmigen wird. Das Problem ist damit also erstmal erledigt und alles kann so weitergehen wie bisher. Wir fahren demnach, wie auch in den letzten Jahren bereits erfolgreich praktiziert, weiter auf Sicht. Klingt komisch, ist aber so.

Schauen wir aber genauer hin, dann sehen wir leider, dass der Gemeinde Karlsfeld im Verwaltungshaushalt bereits seit 2020 pro Jahr 500.000 Euro (schon vor Corona) und ab 2021 (mit den Auswirkungen der Coronapandemie und des Ukraine-Kriegs) jedes Jahr 2 Mio Euro fehlen! Und ein Ende der tiefroten Zahlen ist zumindest in den nächsten 10 Jahren nicht in Sicht!

Das heißt, unser Haushalt hat seit vier Jahren und perspektivisch auch in den kommenden Jahren ein riesiges strukturelles Problem, das immer noch nicht gelöst ist! Es sind entweder die Einnahmen um 2 Mio Euro zu niedrig oder die Ausgaben sind um 2 Mio Euro zu hoch!

Das heißt aber auch: Bereits seit vier Jahren hätten längst die Steuern deutlicher erhöht oder die Ausgaben deutlicher reduziert werden müssen, als es bisher gemacht wurde! Stattdessen gönnen wir uns wie bisher freiwillige Ausgaben, wie z.B. eine Bücherei, eine VHS, ein Bürgerhaus, Kultur, Sportförderung und noch vieles Andere einfach auf Pump. Denn es werden neue Schulden gemacht, anstatt zum Ausgleich des Haushaltsloches etwa Steuern zu erhöhen oder Ausgaben einzusparen! Wir verschulden uns an der Infrastruktur und leben im Prinzip der nächsten Generation! Hier nochmal die Frage: “Welche Haushaltsrede hätten’s denn gern? Die aus 2020, aus 2021 oder aus 2022?”

Auch die Rechtsaufsicht im Landratsamt hat bereits seit 2020 bei jeder Haushaltsgenehmigung darauf hingewiesen, dass für freiwillige Leistungen keine neuen Kreditaufnahmen mehr genehmigt werden, weil die Mindestzuführung im Haushaltsjahr und in den kommenden Jahren nicht mehr dargestellt werden kann. Mindestzuführung heißt in diesem Fall, dass mit einem Überschuss im Verwaltungshaushalt die Schuldentilgung erwirtschaftet werden muss.

Entsprechende Vorschläge der SPD-Fraktion zur Einnahmenerhöhung und zur Kostensenkung wurden abgelehnt. Klar, das waren teilweise auch sehr unbequeme Vorschläge. Abgelehnt wurde u.a. unser Vorschlag - zur Erhöhung der Gewerbesteuer auf 400 Punkte - zur Privatisierung des Bürgerhauses - für ein Interkommunales Hallenbad - für eine Haushaltsanalyse durch einen externen Dienstleister

Für unsere Vorschläge wurden wir angefeindet und öffentlich als „apokalyptische Reiter“ beschimpft (nein, wir haben das nicht vergessen, liebe CSU-Fraktion). Klingt komisch, ist aber so.

Und obwohl es komisch ist, dass man für ehrliche Worte abgewatscht wird, werden wir trotzdem nicht müde darauf hinzuweisen, dass schon deutlich mehr getan werden muss, als nur wie bisher Maßnahmen - wohlgemerkt auch Pflichtmaßnahmen wie dringend notwendige Sanierungen in der Infrastruktur - ins nächste Jahr zu verschieben, wodurch im nächsten Haushaltsjahr dann alles nur noch schlimmer wird.

Leider haben sich die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen in den Jahren seit 2020 nur allzu gerne hinter dem Satz „Wir fahren auf Sicht!“ versteckt. Die roten Zahlen wurden geflissentlich verdrängt, begründet mit dem Hinweis, dass man ja nicht “in die Glaskugel blicken könne”. Oh doch, man konnte schon in den Haushalten 2020-2022 die Tendenz genau ablesen!

“Welche Haushaltsrede hätten’s denn gern? Die aus 2020, aus 2021 oder aus 2022?” Wir haben wertvolle Zeit verloren. Erst jetzt, vier Jahre später, mit der Haushaltsaufstellung 2023, haben alle im Gemeinderat vertretenen Fraktionen den Ernst der Lage erkannt und unserem Antrag auf eine langfristige Finanzplanung mit der Erstellung einer Übersicht über die künftige Entwicklung der gemeindlichen Einnahmen zugestimmt. Klingt komisch, ist aber so.

Es freut uns, dass wir mit der Zustimmung zu diesem Antrag endlich einen ganz wichtigen Schritt in die Zukunft machen. Nämlich weg vom „Fahren auf Sicht“ mit dem ausschließlichen Fokus auf die Genehmigung des aktuellen Haushaltsplans, hin zu einer aktiven Planung, wie wir für Karlsfeld eine aus finanzieller Sicht bessere Zukunft gestalten können, um liebgewordene und unser Karlsfeld lebenswert machende Einrichtungen für unsere Bürger*innen zu erhalten!

Diese Absichtserklärung allein genügt unserer Fraktion aber noch nicht für eine Zustimmung zum Haushalt 2023. Wir haben wertvolle Zeit verloren, die uns heuer schon ein geschlossenes Hallenbad beschert hat. Wir vermissen den offenen Dialog mit der Bürgerschaft, die nie dazu befragt wurde, welche Maßnahmen sie eher vertreten könnten als andere. Praktisch ein Haushalt aus dem Hinterzimmer. Klingt komisch, ist aber so.

Vielleicht gelingen uns im Haushaltsjahr 2024 endlich ernsthafte strukturelle Veränderungen, damit auch die SPD-Fraktion wieder einer Haushaltsaufstellung zustimmen kann. Wir wünschen es uns sehr, denn der Kampf gegen die Windmühlen hat seinerzeit schon Don Quichote arg gebeutelt!

Wir bedanken uns bei der Kämmerei für die Erstellung und in Vertretung auch beim Hauptamtsleiter Herr Cataldo für die Übernahme der Finalisierung des Haushaltsplans. Ihr außerordentlicher Einsatz, Herr Cataldo, ist nicht selbstverständlich und verdient hier besondere Erwähnung! Bei allen Fachleuten aus den verschiedenen Sachgebieten und Abteilungen bedanken wir uns für die ehrliche Einschätzung der Notwendigkeit der im Haushalt eingestellten und eventuell gestrichenen oder verschobenen Maßnahmen. Damit gestalten Sie maßgeblich den Karlsfelder Haushalt mit, indem Sie verhindern, dass wir am falschen Eck sparen und die Infrastruktur dadurch noch mehr gefährden.

Ein herzlicher Dank geht auch an alle Karlsfelder Vereine und Organisationen und alle weiteren ehrenamtlichen Helfer*innen, die durch ihren unentgeltlichen Einsatz unser Gemeindeleben bereichern und gestalten. Besonders erwähnen möchten wir heuer auch den Jugendrat, der schon in verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen seinen Einsatz für die Karlsfelder Jugend gezeigt hat! Weiter so, wir sind sehr stolz auf euch!

Zu guter Letzt möchte ich auch Ihnen, Herr Bürgermeister, und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem Gremium, für die Zusammenarbeit und die manchmal kontroverse, oft aber auch kompromissbereite Diskussion danken. Wir nähern uns an, da sind wir ganz zuversichtlich, auch wenn es manchmal etwas länger braucht, die dicken Bretter zu bohren. Klingt komisch, ist aber so!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Teilen